In Folge #06 prüften ASHTY & MARIUS mit Ullrich Mies, wer die Welt regiert. Eine Nachlese.
Quellen
[1] Rainer Mausfeld zur Funktionslogik der Macht
„Schon in der Antike wurde die Machtgier mit der Gier des parasitären Mehrhabenwollens (»Pleonexie«) und mit der Ruhmsucht verbunden. Beide sind Formen der Selbstsucht, beide bedeuten, durch Macht persönliche Interessen zulasten anderer durchsetzen zu wollen. Beide sind, dem griechischen Historiker Plutarch (45-125) zufolge, »Krankheiten«, die wesenhaft mit der Macht verbunden sind.
Gemeinsam ist ihnen auch, dass sie im psychischen Gesamtgefüge des Menschen nicht durch natürliche Selbstbegrenzungsmechanismen reguliert sind.
[…]
Das Wesen der Macht liegt in der Befähigung des Menschen, andere Menschen dem eigenen Willen unterwerfen zu können.
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Das Bedürfnis, den eigenen Willen gegen den eines anderen durchzusetzen, also Macht auszuüben, verstärkt sich durch eine Machtausübung geradezu selbst, denn das Gefühl, Macht über andere zu haben, geht in der Regel mit positiven Gefühlen einher und weckt den Wunsch, dieses Bedürfnis auch in Zukunft zu Lasten eines anderen befriedigen zu können. In dieser nahezu grenzenlosen Selbstverstärkung mit ihren zerstörerischen und selbstzerstörerischen Dynamiken liegt das destruktive Potential von Macht.
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Macht strebt nach mehr Macht, nach Ausweitung und Stabilisierung von Macht. Sie strebt danach, sich von allen Begrenzungen zu befreien.
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Macht neigt ihrem Wesen nach dazu, keine über ihr liegenden regulativen Maßstäbe einer Begrenzung mehr anzuerkennen.
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Macht will nicht gesehen werden, sie will nur in ihrer Wirksamkeit gespürt werden. Sie sucht sich durch Institutionalisierung und Bürokratisierung als Macht zu Verbergen und sich zugleich zu verfestigen. Denn sobald sie als Macht aufgedeckt wird, sieht sie sich mit Fragen ihrer Legitimität konfrontiert.
[…]
Macht möchte jedoch niemandem rechenschaftspflichtig sein.
[…]
Um sich allen Fragen einer Legitimität und Rechenschaft zu entziehen, sucht Macht stets auch von der Sprache so Besitz zu ergreifen, dass sie als Macht nicht mehr erkennbar ist und ein Widerstand gegen sie im Wortsinne undenkbar wird.“
– Rainer Mausfeld: Hybris und Nemesis. Wie uns die Entzivilisierung von Macht in den Abgrund führt – Einsichten aus 5000 Jahren, 2023, S. 62-66
[2] Empirische Studien zu Macht
„Exakt jene Prinzipien [Anm. d. Verf.: Fähigkeiten], die dazu führen, dass jemand zur Führungsperson wird, gehen offenbar verloren, wenn die machtvolle Position eine Weile ausgeübt wurde.“
– Dacher Keltner: Das Macht-Paradox, S. 104
Studien bestätigen: Anstatt ihren Einfluss zum Wohl der Gruppe zu nutzen, wirtschaften Mächtige oft in die eigene Tasche, neigen zur Doppelmoral und zeigen weniger Mitgefühl
– vgl. Samuel Bendahan et al.: Leader Corruption Depends on Power and Testosterone, in: The Leadership Quarterly, 2015, S. 101–122, online, https://core.ac.uk/download/pdf/77183047.pdf
– vgl. Joris Lammers et al.: Power Increases Hypocrisy Moralizing in Reasoning, immorality in behavior, in: Psychological Science, 2010, S. 737–744, https://business.columbia.edu/sites/default/files-efs/pubfiles/11633/power_and_hypocrisy.pdf
– vgl. Pamela Smith et al.: You Focus on the Forest When You’re in Charge of the Trees: Power Priming and Abstract Information Processina, in: Journal of Personality and Social Psychology, 2006, S. 578–596, online, vgl. https://www.researchgate.net/profile/Pamela-Smith-13/publication/7131260
vgl. dazu auch Spektrum der Wissenschaft: Was Macht mit uns macht, 18.07.2016, online, https://www.spektrum.de/news/was-macht-mit-uns-macht/1416651
[3] Ausgewählte Bücher von Hans-Joachim Maaz
- Hans-Joachim Maaz: Der Gefühlsstau: Psychogramm einer Gesellschaft, 1990
- Hans-Joachim Maaz: Die Liebesfalle. Spielregeln für eine neue Beziehungskultur, 2007
- Hans-Joachim Maaz: Die narzisstische Gesellschaft. Ein Psychogramm, 2012
- Hans-Joachim Maaz: Das falsche Leben: Ursachen und Folgen unserer normopathischen Gesellschaft, 2017
- Hans-Joachim Maaz: Angstgesellschaft, 2022
vgl. dazu auch Franz Ruppert: Wer bin ich in einer traumatisierten Gesellschaft?: Wie Täter-Opfer-Dynamiken unser Leben bestimmen und wie wir uns daraus befreien, 2018
[4] Zur Traumatisierung von Schwerverbrechern vgl. Fritzi Horstmann: Step Inside the Circle, 21.06.2020, online, https://www.youtube.com/watch?v=FVxjuTkWQiE & CBSNews: Identifying childhood trauma a key to rehabilitating, reintegrating prison inmates into society, ab Minute 04:30, 17.03.2023, https://www.cbsnews.com/sanfrancisco/news/childhood-trauma-may-be-key-to-rehabilitating-reintegrating-prison-inmates-into-society/
[5] Der Unterschied zwischen inhaftieren Straftätern & Herrschaftseliten ist im Übrigen, dass sich letztere, während erstere (hoffentlich!) rechtsstaatlich belangt worden sind, politisch (vor Strafverfolgung) immunisieren können, vgl. dazu in Deutschland z.B. die Weisungsbefugnis des Justizministeriums [Exekutive] für Staatsanwälte [Judikative] bei Verfolgung etwaiger Straftaten (von derzeitigen Machtträgern)
„Die Beamten der Staatsanwaltschaft haben den dienstlichen Anweisungen ihres Vorgesetzten nachzukommen. (§ 146 GVG)
Damit sind sie weisungsgebunden. Solche Weisungen können für jede staatsanwaltliche Tätigkeit in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht getroffen werden. Welcher Antrag soll gestellt werden, wie soll das Recht im konkreten Einzelfall ausgelegt werden, soll Ermessen ausgeübt werden – wenn ein Vorgesetzter eines Staatsanwalts hier eine Weisung trifft, muss er sie befolgen. Um wen es sich überhaupt um Vorgesetzte handelt, ist in § 147 GVG geregelt: Danach ist die Bundesjustizministerin gegenüber dem Generalbundesanwalt und den Bundesanwälten weisungsbefugt, auf Landesebene sind das die jeweiligen Justizminister.“
– vgl. Jura Online: Unabhängigkeit der Staatsanwaltschaft: Lambrecht will Weisungsrecht von Justizministerien einschränken, 19. 12.2020, online, https://jura-online.de/blog/2020/12/09/unabhangigkeit-der-staatsanwaltschaft-lambrecht-will-weisungsrecht-von-justizministerien-einschranken/